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Streit um Armenien-Ausstellung im Mainzer Gutenberg-Museum

Das Gutenberg-Museum zeigt vom 07. Dezember 2012 bis zum 17. März 2013 „Schriftkunst und Bilderzauber“, eine Sonderausstellung zum 500. Jubiläum des armenischen Buchdrucks

Das Gutenberg-Museum zeigt vom 07. Dezember 2012 bis zum 17. März 2013 „Schriftkunst und Bilderzauber“, eine Sonderausstellung zum 500. Jubiläum des armenischen Buchdrucks


MAINZ. – Auf Proteste von türkischen Vereinen und Verbänden hin ließ die Stadt Mainz im Gutenberg-Museum eine Erklärung aushängen, in der die offizielle türkische Darstellung mit einer Leugnung des Völkermordes an den Armeniern von 1915 dargestellt wurde.

Die Armenier sind ein leidgeprüftes Volk mit einem reichen kulturellen Erbe. Die Vorreiterrolle armenischer Künstler bei der Verbreitung des Buchdrucks im orientalischen Raum dokumentiert seit Dezember die Ausstellung „Schriftkunst und Bilderzauber“ im Gutenberg Museum, die auf 500 Jahre armenische Buchdruckkunst zurückblickt. Weil die armenische (Kultur-)Geschichte auch eine Geschichte der Vertreibung ist, thematisiert ein Einführungstext der Ausstellung in einem historischen Rückblick den „Völkermord“ an den Armeniern durch das osmanische Reich in den Jahren 1915/16. Der organisierten Vertreibung fielen damals über eine Million Menschen zum Opfer.
Für die Vertreter der türkischen Gemeinden und den stellvertretenden Generalkonsul der Türkei Ismail Civelikl lieferte dies den Stein des Anstoßes. Dieser Völkermord ist außerhalb der Türkei international auf breiter Basis als solcher anerkannt, in mehreren Staaten steht seine Leugnung unter Strafe. Türkische Vereine protestierten gegen den international und von der Forschung längst anerkannten, in der Türkei aber nach wie vor tabuisierten Begriff „Völkermord“, worauf hin Oberbürgermeister Michael Ebling einen Aushang bewilligte, der die offizielle türkische Leugnung des Genozids enthielt. Die Aufforderung der zehn türkischen Vereine und Verbände, die strittige Passage komplett aus der Ausstellung entfernen zu lassen, lehnte Ebling allerdings ab. Als darauf auch die armenische Seite eine konträre Stellungnahme einforderte, ließ die Stadt das Zitat mit der türkischen Sichtweise wieder entfernen. Eine im Kern unpolitische Ausstellung, in dem die Geschichte des armenischen Buchdrucks im Zentrum stehe, dürfe kein Forum für politische Kontroversen zwischen der Türkei und Armenien sein, so Stadtsprecher Markus Biagioni. Man werde deshalb keine über den Ausstellungstext hinausgehende Kommentierung zulassen.
Museumsdirektorin Dr. Annette Ludwig wendet sich prinzipiell gegen jeden äußeren Eingriff in eine Museumsausstellung. Die unter anderem von der Orientabteilung der Staatsbibliothek Berlin kuratierte Präsentation sei wissenschaftlich genauestens recheriert, sagte die Direktorin. Im übrigen sei die Ausstellung auch schon in Halle gezeigt worden, wo sich kein Mensch darüber aufgeregt habe.

Deutschland versucht den Eiertanz

Claus Ambrosius, Kulturchef der Rhein-Zeitung, bezeichnete in einem Kommentar das Verhalten der Stadt Mainz rund um die Ausstellung armenischer Druckkunst als „in hohem Maße enttäuschend“. Weiter schreibt er, habe „man der Ausstellung, die man stolz mit dem Ministerpräsidenten der Republik Armenien eröffnet hatte, Gewalt angetan – und auch dem Ruf des Gutenberg-Museums. Überzeugungen haben heißt auch, vor Ort Flagge zu zeigen“. Das allgemeine Verhalten Deutschlands zu dem Thema des Völkermords beschreibt Ambrosius als „Eiertanz“. „Im Beschluss des Bundestages 2005 wurde in der Begründung, nicht aber in der Resolution von einem Völkermord gesprochen – man will es sich mit dem Handelspartner nicht verderben. Ähnlich verklausuliert ist auch die Presseerklärung der Stadt Mainz, die frei übersetzt heißt: Wir sind ja im Großen und Ganzen mit den Armeniern einer Meinung, wollen aber lieber nicht Partei ergreifen.“, heißt es in dem Kommentar.

(Wiesbadener Kurier/Mainzer Rhein-Zeitung)
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