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Die Doppelmoral der IG Keupstraße

Meral Sahin, Vorsitzende der IG Keupstraße (Foto: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)

Am 9. Juni 2019 jährt sich der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße zum 15. Mal. Der NSU-Terror hatte damit die Keupstraße in Köln rassistisch erreicht. Dieses Netzwerk – wahrscheinlich gedeckt von Sicherheitsbehörden – hatte bundesweit Menschen ermordet. In der Keupstraße haben die Sicherheitsbehörden zunächst die lokale türkisch-kurdische Community als Tatverdächtige zu ermitteln versucht und waren so wie in den übrigen Ermittlungsfällen auf dem rechten Auge blind.

Die Kölner Stadtgesellschaft hat sich nach dem Anschlag gegen diesen rechtsextremistischen Terror in der gewohnten bunten und vielfältigen Art eingebracht. Das „Birlikte“-Fest der IG Keupstraße und ihren offiziellen Vertretern, wie der Vorsitzenden Meral Sahin, wurden im Beisein zahlreicher Künstler, bundesdeutscher Prominenter und mit Bundespräsident Gauck als Zeichen gegen Rassismus gefeiert. Das war richtig und notwendig, denn den Opfern rassistischer Morde, Gewalt und Hetze muss eine ernstzunehmende gesamtgesellschaftliche Haltung entgegengebracht werden. Bei den Verantwortlichen der IG Keupstraße ist das jedoch nicht widerspruchsfrei und zugleich auch sinnbildlich für die große Mehrheit der türkischen Community mit ihren Vereinen und Verbänden in Deutschland.

Sichtbar wird das an der Haltung zum Genozid an den Armeniern, wo die Verantwortlichen der IG Keupstraße eine besondere Rolle spielen. Tatsächlich ist eine verharmlosende und leugnende Haltung von türkischen Vereinen und Verbänden in Deutschland, wenn es um den Völkermord an den Armeniern geht, keine Überraschung oder Seltenheit. Seit Jahren pflegen türkische Verbände und Organisationen von extrem rechts über konservativ-nationalistisch, über sozialdemokratisch bis hin zu links-kemalistisch fast die selbe Sprache: der Völkermord an den Armeniern wird geleugnet, ganz nach der türkischen Staatsdoktrin.

Als die armenische Gemeinde Köln im November 2017, nach fast 3-jährigen Diskussionen und Warten, einen beantragten armenischen Kreuzstein auf dem Friedhof Lehmbacher Weg für die Opfer des Genozids an den Armeniern aufstellte, protestierten vorab 44 türkische Kölner Vereine dagegen bei der Stadt Köln. In einem Protestschreiben hatten die UETD (nun UID), die türkisch-rechtsextremen „Grauen Wölfe“, die Atatürk-Jugend, aserbaidschanische und weitere türkische Vereine gemeinsam mit der IG Keupstraße im März 2017 angedroht:

„Wir werden ihre Entscheidung nicht hinnehmen, ohne alle Möglichkeiten eines Rechtsstaates in Anspruch genommen zu haben. (…) Sollten wir bis zum 15. April 2017 nichts von Ihnen gehört haben, gehen wir davon aus, dass Sie auf Ihrem Vorgehen beharren wollen. In diesem Falle werden wir jenen Mitgliedern, die Angehörige auf dem Friedhof zur letzten Ruhe gebettet haben, zukünftig nicht weiter davon abraten, den Klageweg zu beschreiten und gegen Ihren Beschluss zu protestieren (…)“.

Auch war die IG Keupstraße Mitunterzeicher eines Protestschreibens der „Initiativplattform der türkischen Vereine und Verbände in Köln und Umgebung“ gegen die Anerkennung des Genozids an den Armeniern durch den Deutschen Bundestag. Über dieses Protestschreiben, das auch die IG Keupstraße mitunterzeichnet habe, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger am 9. Juni 2016 wie folgt:

»Die Resolution löse „nicht nur in der Türkei Zorn und Unmut aus“. Unterschrieben haben neben „Dein Köln“ auch mehrere Kölner Ditib-Gemeinden sowie die Interessengemeinschaft Keupstraße. Sie behaupten, für „alle türkischstämmigen Bürger“ zu sprechen. Der Bundestag habe „einseitig“ entschieden und Partei „für die teilweise türkenfeindliche armenische Diaspora ergriffen.“«

Das aktuelle NSU-Mahnmal für das sich die IG Keupstraße mit ihrer Vorsitzenden Meral Sahin zu Recht einsetzt, soll ein Zeichen sein, dass die Kölner Stadtgesellschaft gemeinsam rassistischen Angriffen entgegen treten will. Ob allerdings die IG Keupstraße, mit ihrer offenkundig leugnenden Haltung zum Völkermord an den Armenien und ihrem gemeinsamen Protest mit türkischen Rechtsextremisten gegen die Erinnerung an den Armenier-Genozid in Köln, so glaubwürdig ist, sollte kritisch hinterfragt werden, genauso wie der Rassismus gegen Armenier, Juden, Griechen, Kurden, Aleviten und andere Minderheiten in vielen türkischen Vereinen und Verbänden in Deutschland.

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