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Propaganda für Aserbaidschan getarnt als ausländische Nachrichten-Websites

Collage: HAYPRESS

Das autokratisch regierte Aserbaidschan hat am 30. Dezember 2020 ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem Zensur legalisiert wird. Die Diktatur belegt in der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ Platz 167 von 180. Unabhängige Nachrichtenportale werden zensiert und selbst im Ausland lässt Ilham Aliyevs Regime Kritiker festnehmen und verfolgen.

Nachrichten-Websites sind ein wichtiges Propagandawerkzeug für Aserbaidschan. Sie helfen dabei, das angeschlagene Image des Landes aufzupolieren und von Korruptionsenthüllungen rund um die seit fast 30 Jahren herrschende Aliyev-Familie abzulenken. Auch fungieren sie als Sprachrohr für Geschichtsrevisionismus, insbesondere wenn es um die mehrheitlich armenisch bewohnte Region Bergkarabach (Arzach) geht. So versucht etwa das autokratische Regime in Baku einen historischen Anspruch auf die umstrittene Region durch Auslöschen des armenischen Kulturerbes und die „Albanisierung“ jahrhundertealter armenischer Kirchen in Bergkarabach zu kreieren.

Damit die von Diktator Ilham Aliyev vorangetriebene Propaganda authentisch wirkt, braucht es ausländische Nachrichten-Websites, die die Sicht des autokratischen aserbaidschanischen Regimes publizieren. Diese vermeintlich ausländischen Berichte werden sodann etwa dem Volk im Land, aber auch dem Westen präsentiert, um die eigene Position zu stärken. Die Strategie ist dabei immer gleich: Neutral gewählte Namen der Nachrichtenseiten, und in den meisten Fällen nachträgliche Namensänderungen, sollen einen Bezug zu Aserbaidschan verschleiern. Gemeinsam haben viele der Seiten darüber hinaus, dass ihre Erstellung oder Namensänderung während oder kurz nach dem Bergkarabach-Krieg im Herbst 2020 erfolgte.

„The Caspian Post“

Die kanadische Nachrichtenseite „The Caspian Post“ befasst sich dem Anschein nach, wie der Name vermuten lässt, mit Themen, die einen Bezug zur Kaspischen Region haben. Geführt wird die Seite laut eigener Webpräsenz von Stephanie Lazerte and Mark Elliott. Über die Seitentransparenz-Funktion der dazugehörigen Facebook-Seite erfährt man, dass die Seite erst am 28. Januar 2021 in „The Caspian Post“ umbenannt worden ist. Erstellt wurde die Facebook-Seite ursprünglich Anfang Dezember 2020 – kurz nach Ende des aserbaidschanischen Angriffskrieges auf Bergkarabach – unter dem Namen „Natavan Media“. „Natavan Media Inc.“ ist ein erst im Januar 2021 in Kanada eingetragenes Unternehmen. Direktor der Firma ist Anar Jahangirli, der zeitgleich auch als Direktor beim „Network of Azerbaijani Canadians“ fungiert. Das in Toronto ansässige aserbaidschanische Netzwerk wurde am 16. November 2020 gegründet, eine Woche nach dem Bergkarabach-Waffenstillstandsabkommen. Jahangirli hat laut eigenen Angaben seine Karriere im diplomatischen Dienst in Aserbaidschan begonnen, wo er 10 Jahre lang gearbeitet hat.

„Das Fazit“

Bei der Nachrichtenseite „Das Fazit“ handelt es sich auf den ersten Blick um eine österreichische Website. Die meisten Artikel behandeln thematisch den Kaukasus. Wer hinter der Website steckt, wird zunächst nicht ersichtlich, da es unter anderem kein Impressum gibt. Beiträge über Aserbaidschan folgen auch hier der Staatsdoktrin des aserbaidschanischen Diktators Ilham Aliyev. Eine HAYPRESS-Recherche deckte die Verbindung der als österreichisch getarnten Website in die aserbaidschanische Hauptstadt auf. So ist die Domain „dasfazit.at“ auf Maksim Yermakov registriert, mit Sitz in Baku. Yermakov ist Direktor der IT-Abteilung der aserbaidschanischen „Trend News Agency“.

Trend wurde 1995 gegründet und gehört neben der AZERTAC zu den führenden Nachrichtenagenturen in Aserbaidschan. Stellvertretende Generaldirektorin bei Trend ist Sevil Mikayilova, seit 2020 Mitglied des aserbaidschanischen Parlaments. Mehrere weitere News-Websites in Aserbaidschan, darunter day.az, milli.az, today.az oder AzerNews gehören der regimefreundlichen „Trend“-Agentur.

„Lagazetteaz“

Die in Paris auf der Champs-Élysées ansässige „Lagazetteaz“ wurde 2020 von der „Trend News Agency“ gegründet. Ziel der französischen Nachrichtenseite soll es sein, „eine objektive Wahrnehmung der aserbaidschanischen Realitäten in der Öffentlichkeit der europäischen Länder zu schaffen“. Die aserbaidschanische Abgeordnete Sevil Mikayilova gab an, dass das Projekt „sehr wichtig“ sei, da es insbesondere in Frankreich „einen großen Mangel an zuverlässigen und unverfälschten Informationen“ über die Innen- und Außenpolitik Aserbaidschans sowie über „die Realitäten des armenisch-aserbaidschanischen Bergkarabach-Konflikts“ gebe.

„The USA Tribune“

Laut der Eigenbeschreibung von „The USA Tribune“ handelt es sich um eine unabhängige Nachrichtenagentur, die Themen rund um die amerikanische Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Außenpolitik behandelt. Wer sich hinter der im Februar 2019 erstellten Online-Zeitung verbirgt, wird auch hier nicht öffentlich kommuniziert. Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien erlangte die Website im April 2021 mit einem Artikel, der anders als die deutsche und internationale Presse, nicht die zeitgleich stattfindenden Korruptions- und Lobbyismus-Enthüllungen um deutsche Politiker im Zuge der Aserbaidschan-Affäre thematisierte, sondern sich der sogenannten „Mirror Propaganda“-Taktik bediente und von einem angeblichen „armenischen Lobbyismus durch deutsche Parlamentarier“ berichtete. In Verschwörungsmanier bezeichnet der Verfasser des Artikels, Robert Horowitz, unter anderem die Linken-Politiker Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke oder Dr. Gregor Gysi als „berüchtigte korrupte Amtsträger“. Zahlreiche weitere Bundestagsabgeordnete werden in dem Artikel der „The USA Tribune“ diffamiert. Von dem als Horowitz genannten Autor sind diverse anti-armenische Artikel auf der Website zu finden. Die anti-armenischen Artikel im Sinne Aserbaidschans wurden zeitgleich in den aserbaidschanischen Medien publiziert, etwa über Trend oder über die staatliche Nachrichtenagentur AZERTAC.

„Kaukasus im Fokus“

Das in Berlin ansässige Nachrichtenportal „Kaukasus im Fokus“ hat sich wie andere aserbaidschanische News-Seiten mit einer Namensänderung einem Re-Branding unterzogen. Auch hier geschah dies im Zeitraum nach dem Bergkarabach-Krieg 2020 und nach Aufkommen zahlreicher Enthüllungen im Zuge der Aserbaidschan-Affäre. Erstellt wurde die Facebook-Präsenz der Seite im Januar 2017 ursprünglich unter dem Namen „Alumniportal Aserbaidschan“ von Asif Masimov. Das Magazin VICE nannte den ehemaligen Bundestagspraktikanten Masimov in ihrer Recherche über „Aliyevs geheime Praktikanten-Armee im Bundestag“ einen „Aserbaidschan-Influencer“. Mehrere aktive und ehemalige Bundestagsabgeordnete, darunter Olav Gutting und Nikolas Löbel, die wegen ihrer auffälligen Nähe zu Aserbaidschan in die Schlagzeilen geraten sind, standen mit dem „Alumniportal Aserbaidschan“ in Kontakt.

„Deutsches Zentrum für Südkaukasus“

Bei der Online-Informationsplattform mit dem Namen „Deutsches Zentrum für Südkaukasus“ handelt es sich, anders als der Name suggerieren soll, um kein deutsches Zentrum. Die Facebook-Präsenz der Plattform mit Sitz in Berlin wurde ebenfalls während des Bergkarabach-Krieges im Oktober 2020 erstellt. Auch hier wird anhand der Website nicht ersichtlich wer der Betreiber ist. Die Angabe zu einem Ansprechpartner wurde offen gelassen. HAYPRESS-Recherchen konnten allerdings aufzeigen, dass es eine Verbindung zu einem ebenfalls in Berlin ansässigen aserbaidschanischen Verein gibt. So verweist die Standortkarte auf der Facebook-Präsenz des Vereins „Aserbaidschanisches Haus in Deutschland e.V.“ auf dieselbe Anschrift, unter der das „Deutsche Zentrum für Südkaukasus“ geführt wird. Das Aliyev-nahe „Aserbaidschanische Haus in Deutschland e.V.“ ist während Bakus Großoffensive gegen Bergkarabach im Herbst 2020 durch Kriegspropaganda aufgefallen und vertritt laut der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin „erfolgreich“ die Interessen Aserbaidschans in Deutschland.

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