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Foto bringt Deutsche mit dem Völkermord an den Armeniern in Verbindung

Neu entdecktes Foto zeigt deutsche und türkische Offiziere, posierend mit Schädeln armenischer Opfer des Genozids 1915 (Foto: The Independent)

Ein Ende 2012 von der britischen Tageszeitung „The Independent“ veröffentlichtes Foto aus dem Jahre 1915 zeigt am Boden zerstreute Schädel von Armeniern, die während des ersten Weltkrieges von osmanischen Türken massakriert wurden. Dahinter posieren drei türkische Offiziere und ganz rechts ein Mann in traditionell kurdischer Kleidung. Dazwischen stehen zwei Soldaten (zweiter und dritter von links) des Deuschen Kaiserreichs. Auf ähnliche Art posierten deutsche Soldaten während der Nazi-Herrschaft vor den Opfern des Holocausts – mehrere Jahrzehnte später.

Das Deutsche Kaiserreich und der Armenier-Genozid

Haben die Deutschen sich an den Massentötungen der christlichen Armenier 1915 beteiligt? Dies ist nicht das erste Foto seiner Art. Doch bisher wurden die Deutschen weitgehend von Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des ersten Genozids des 20. Jahrhundert befreit. Deutsche Diplomaten in türkischen Provinzen haben die Zwangsdeportationen und Massentötungen von 1,5 Millionen armenischen Zivilisten durch die osmanischen Türken dokumentiert. Die Diplomaten blickten mit Schrecken auf die Tötungen der Armenier und denunzierten die osmanischen Milizen aufgrund ihrer Untaten als „Abschaum“. Deutsche Parlamentarier verurteilten den Genozid an den Armeniern im Reichstag.

Fotografien als Beweis des Genozids

Ein deutscher Militärarzt namens Armin T. Wegner setzte sein Leben aufs Spiel, um erschütternde Fotos von sterbenden und getöteten Armeniern während und nach dem Genozid zu schießen. Im April 1933 wandte Wegner sich bezüglich der Judenverfolgung an Hitler und fragte, was aus Deutschland werden würde wenn er seine Verfolgung weiter fortführen würde. Wegner wurde später von der Gestapo verhaftet und gefoltert und wird heute im Yad Vashem Museum zur Geschichte des Holocausts in Israel gewürdigt. Ein Teil Wegners Asche wird zudem im Nationalen Museum und Institut des Armenischen Genozids in der Hauptstadt Jerewan in Armenien aufbewahrt.
In diesem Institut des Armenischen Genozids wurde auch dieses Foto entdeckt. Es wurde zusammen mit anderen Fotos gefunden auf welchen Türken neben Schädeln posieren; die Fotos angehängt an ein lange verschollenes Zeugnis eines Hinterbliebenen. Alle Fotos scheinen in der Region welche als „Yerznka“ (heute Erzincan) indentifiziert wurde aufgenommen wurden zu sein.  Viele der damaligen Bewohner Erzincans wurden während ihrer Deportation auf dem Weg nach Erzurum ermordet. Der russische General Nikolai Yudenisch eroberte im Juni 1916 Erzincan von der türkischen dritten Armee. So bekamen einige Armenier, die an der Seite Russlands kämpften, die Gelegenheit viele Fotografien und dokumentarisches Beweismaterial zum Genozid im Vorjahr am eigenen Volk zu sammeln. Russische Zeitungen – die ebenfalls im Genozidmuseum in Jerewan archiviert sind – druckten einige dieser Fotos der Schlachtfelder ab, ehe die russische Armee wieder zurückgedrängt wurde.

Fotos türkischer Konzentrationslager

Wegner fotografierte viel im letzten Teil der Deportationsroute, der heute im nördlichen Syrien liegt. Dort starben Zehntausende Armenier an Cholera und Diarrhoe, während sie in türkische Konzentrationslager gesperrt wurden. Das Museum in Jerewan enthüllte weitere Fotos, die in Rakka und Ras al-Ayn aufgenommen wurden. Mit aller Wahrscheinlichkeit im Geheimen von armenischen Überlebenden. Eines der Fotos wurde auf armenisch mit dem Text „eine Karawane armenischer Flüchtlinge in Ras al-Ayn“ beschriftet. Darauf sind armenische Flüchtlinge in Zelten abgebildet. Das Foto scheint von einem Balkon aufgenommen worden zu sein, über welchen es möglich war das Lager zu überblicken.

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Überlebende der Deportation wurden hingerichtet

Ein anderes Bild, mit der deutschen Beschriftung „Armenisches Lager in Rakka“, wurde möglicherweise von einem Kameraden Wegners fotografiert. Auf diesem Foto sind einige Männer und Frauen zwischen düster wirkenden Zelten zu sehen. Nahezu alle Armenier, die 1915 den Todesmarsch nach Ras al-Ayn und Rakka überlebten, wurden im Folgejahr erschossen, als der Genozid an den Armenier bereits in vollem Gange war.

Mit der Bagdadbahn in den sicheren Tod

Einige Deutsche Botschafter sprachen sich deutlich gegen die Türkei aus. Der armenisch-amerikanische Historiker Peter Balakian beschrieb, wie eine in Berlin verfasste Protestschrift anprangerte, dass „bis Ende Mai die Deportation der gesamten armenischen Bevölkerung aus sämtlichen Gebieten Anatoliens und Kilikiens in die arabische Steppe südlich der Bagdadbahn angeordnet wurde“. Da die Deutsche Bank den Bau der Berlin–Bagdad Eisenbahn finanzierte, konnten seine Beamten entsetzt mitansehen, wie die Waggons mit armenischen Männern beladen wurden, um sie an die Orte zu transportieren an denen sie ermordet werden sollten. Zudem haben Professor Balakian und andere Historiker herausgefunden, wie einige deutsche Zeitzeugen des Armenier-Genozids eine entscheidende Rolle im Nazi-Regime einnehmen sollten.

Deutsche Zeugen des Armeniergenozids machten Karriere unter Hitler

Konstantin Freiherr von Neurath, zum Beispiel, war einer dieser Männer. Er war unmittelbar im Umfeld der Türkischen vierten Armee stationiert, um die „Operationen“ gegen die Armenier zu beobachten. Unter Hitler wurde er später Reichsaußenminister und als die Nazis Tschechoslowakei besetzten, wurde er zum Reichsprotektor in Böhmen und Mähren ernannt. Friedrich Werner von der Schulenburg war zwischen 1915 und 1916 Konsul in Erzurum und später Hitlers Botschafter in Moskau.
Im Jahre 1916 war Rudolf Höß deutscher Hauptmann im Osmanischen Reich. Von 1940 bis 1943 war er der Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz und dann stellvertretender Inspekteur der Konzentrationslager der SS-Zentrale. Unter seiner Leitung wurden erstmals Gaskammern eingesetzt, um die Massentötung der Juden effizienter gestalten zu können. Höß wurde verurteilt und 1947 von den Polen in Auschwitz gehängt.
Die genaue Identität der beiden deutschen Offiziere, die auf dem Foto unbekümmert neben den Schädeln in Erzincan posieren, konnte bislang nicht festgestellt werden.

(The Independent; Autor: Robert Fisk, britischer Journalist und gegenwärtig als Nah-Ost-Korrespondent für die britische Zeitung The Independent tätig)
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