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FOCUS präsentiert arabische Clans als „armenische Mafia“

Seit Tagen wird in den Medien über eine sogenannte „armenische Mafia“ berichtet. Bisweilen hat die Berichterstattung kampagnenartige Charakteristika. Hintergrund ist eine Recherche von SPIEGEL und MDR zu einem armenischen Netzwerk in Deutschland. Ausgangssituation stellte eine Schießerei in Erfurt 2014 dar.

In Folge der Schießerei kam es im Erfurter Gericht zu einer Gefängnis- und vier Bewährungsstrafen, geht man zumindest von der SPIEGEL-Veröffentlichung vom 2. November 2018 aus. Der MDR hingegen berichtet am 1. Juni 2017 von zwei Gefängnis- und drei Bewährungsstrafen. Es stellt sich hier die Frage: Wie akkurat wurde seitens der Medien zur „armenischen Mafia“ recherchiert?

Es ist seltsam, wenn im Rahmen der aktuellen SPIEGEL- und MDR-Recherchen einerseits von staatsgefährdenden Organisationen berichtet wird, auf der anderen Seite Justiz und Strafverfolgungsbehörden nach drei Jahren der Ermittlung es nicht schaffen, gegen diese vermeintliche „Mafia“ vorzugehen. BKA, LKA, BND und Europol beteiligten sich an den Ermittlungen. 14 Verfahren wurden eingeleitet und gegen 42 Personen wurden Finanzermittlungen geführt, um als Ergebnis festzustellen, dass die „Ausbeute ernüchternd“ ist. Immer wieder ließt man von Mutmaßungen und von Ermittlungseinstellungen mangels Beweise.

Einstweilige Verfügung gegen SPIEGEL und MDR

Auch der Botschafter der Republik Armenien in Deutschland, Ashot Smbatyan, wurde im Zuge der Berichterstattung erwähnt. Ihm wurden Verbindungen zur „armenischen Mafia“ unterstellt. Der Botschafter wehrte sich dagegen erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung. Das Gericht untersagte dem SPIEGEL und MDR, Behauptungen, die Verbindungen den armenischen Botschafter zur „Mafia“ betreffen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Daraufhin musste der MDR eine für den 7. November 2018 geplante Sendung zu diesem Thema streichen. Die Begründung des MDR lässt erkennen, das es dem Sender nicht möglich war, ihren 30-minütigen Film derart zu schneiden, dass die gerichtlich verbotenen Behauptungen in dem Beitrag nicht mehr wiedergegeben werden.

FOCUS berichtet über „armenische Mafia“ und zeigt arabische Clans

FOCUS-Bericht vom 07.11.2018: Arabische Clan-Mitglieder werden als „armenische Clans“ präsentiert. (Klicken zum Vergrößern)

Der Nachrichtendienst FOCUS Online berichtete ebenfalls über dieses Thema. Mit der Recherche nahm es das Magazin jedoch offensichtlich nicht so genau. Eine Video-Berichterstattung zu sogenannten „armenischen Clans“ in Erfurt, untermalt der FOCUS mit Aufnahmen arabischer Clan-Mitglieder, jedoch ohne darauf hinzuweisen. Darunter Szenen der Beerdigung des Berliner Intensivtäters Nidal R., der im September diesen Jahres erschossen wurde. Die kurz darauf folgende Beerdigung wurde von 2.000 Gästen, hauptsächlich männliche arabische Clan-Mitglieder, darunter zahlreiche Clan-Größen, besucht. Laut einer Schätzung des BKA von 2015, haben arabische Clans in Deutschland ein „Personenpotenzial“ von 200.000 Mitgliedern.

Der FOCUS spielt bei seiner Berichterstattung anscheinend mit Stereotypen und suggeriert dem Betrachter durch Zeigen der arabischen Clan-Mitglieder, es handle sich um einen „armenischen Clan“, der jedoch weder in dieser gezeigten Größe noch in diesem Auftreten so in Deutschland existiert. Es ist daran zu erinnern:

SPIEGEL-Artikel vom 13.09.2018 über Beerdigung des arabischen Clan-Mitglieds Nidal R. (Klicken zum Vergrößern)

Ermittelt wurde in Bezug auf die sogenannte „armenische Mafia“ gegen 42 Personen, nahezu alle Ermittlungen wurden eingestellt. Je nach Berichterstattung des SPIEGEL und MDR, müssen eine oder zwei Personen ins Gefängnis.

Kriminalität in organisierter Form ist ohne Frage zu ahnden. Auch der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen-Gesellschaft (DAG), Dr. Raffi Kantian, hält fest: „Natürlich muss über organisierte Kriminalität unabhängig von der ethnischen Herkunft der Involvierten berichtet werden. Und ebenso natürlich müssen die Täter ebenfalls unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft ihrer gerechten Strafe zugeführt werden.“ Über die Berichterstattung zu Botschafter Smbatyan sagt Kantian: „Irgendwas bleibt immer hängen, auch wenn nichts von all dem stimmt, was man geschrieben hat. Das scheint hier die Methode zu sein. […] Das ist dummdreist und hat mit den ethischen Grundsätzen des Journalismus nichts zu tun. Das ist ein gezielter Schlag unter die Gürtellinie.“

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