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Meinung

Der Völkermord an den Armeniern und wie die Türkei damit umgehen sollte

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Prof. Dr. Doğu Ergil, Kolumnist der »Todays Zaman«


Eines der Themen der Türkei welches von alleine niemals verschwinden wird ist das »Armenierproblem«, schreibt der Kolumnist der »Todays Zaman« und Politologe Prof. Dr. Doğu Ergil. Dies ist hauptsächlich so, da die auf der ganzen Welt zerstreuten Armenier dieses Thema stets am Leben halten und auf seine Erinnerung bestehen.

Die osmanische Regierung die für die gewaltsame Vertreibung der Armenier aus ihrem Heimatland Anatolien verantwortlich war, bezeichnete diese drastische Maßnahme als eine Umsiedlung. Armenier, gestützt durch die Mehrheit der internationalen Geschichtswissenschaft, nennen diese Initiative und die anschließenden Verbrechen »Genozid«. Die Türken weisen diesen Begriff und seine Folgen zurück.
Der 24. April nähert sich. Dies ist das Datum an dem 235 prominente Intellektuelle Armenier aus Istanbul (damals Konstantinopel) im Jahre 1915 verhaftet und ermordet wurden. Die Ermordung der armenischen Intellektuellen kam der Enthauptung der armenischen Nation gleich. Die Armenier gedenken jedes Jahr an diesen Tag als den Beginn des Völkermords an den Armeniern und verurteilen die Geschehnisse als Genozid und fordern die Türkei auf dies ebenso zu tun. Laut Doğu Ergil wehren sich die Türken aus drei Gründen dagegen:
Als existiert die Frage der Identität – Türken wollen nicht als Enkel/Nachfahren von Verbrechern anerkannt werden. Zum anderen besteht die Frage des Gründungsmythos der Türkei – Die Tatsache, dass sich die heutige Republik Türkei auf der Vernichtung und Assimilation anderer Völker gegründet hat, ist ein frustrierender Gedanke. Als letzt ist die Frage der Entschädigung welche Strafanzeigen und Rückerstattungen beinhalten könnte zu nennen (in Sachleistungen oder in Form von liquiden Mitteln für enteignetes Eigentum und Geschäftsverluste, sowie zurückgelassene Kinder).

Verhalten der Türkei nicht verständlich

Die Türkei hat bislang noch keinen Rechtsbegriff für die Definition der Ereignisse seiner Vergangenheit (1915) entwickelt. Das allgemein adoptierte Konzept ist Umsiedlung und Strafmaßnahmen um Verrat zu vermeiden. Dieses Argument basiert auf der Grundlage, dass eine Handvoll Armenier der östlichen Provinzen der russischen Armee beitraten in der Hoffnung auf eine Besserung ihrer Situation. Missachtet wird in der Türkei jedoch bis heute die Tatsache, dass die armenische Zivilbevölkerung und die in der osmanischen Armee dienenden armenischen Soldaten loyal geblieben waren. Dies ist ebenfalls einem Schreiben von Enver Pasha vom 26. Februar 1915 an den armenischen Bischof von Konya zu entnehmen.
Daher existiert keine plausible Erklärung warum ganz Anatolien von den Armeniern entvölkert wurde und warum ihre Verluste nicht kompensiert wurden. Ergil schreibt, dass es schwer zu verstehen ist warum die heutige Republik Türkei, welche zur Zeit des Völkermords nicht existiert hat, diese Beschuldigung auf sich genommen hat und sie seither bekämpft. Der Kolumnist nennt hierfür unter anderem folgende zwei Erklärungen:
Als erstes erklärt er, dass die Verantwortlichen für die Deportationen nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg in Istanbul für ihre Verbrechen vor ein Militärgericht gestellt wurden (1919-1920). Doch ein Großteil dieser angeklagten Beamten schloß sich der nationalen Sache an und beteiligte sich an der Gründung der heutigen Republik Türkei. Die Angeklagten wurden für ihre Verbrechen nicht weiter verfolgt. Als zweiten Punkt nennt Ergil Millionen von Türken/Muslimen vom Balkan die von Osteuropa nach Anatolien auswandern mussten als diese Gebiete an Orthodoxe Christen verloren gegangen sind. Diesen vertriebenen Massen und denjenigen, die aus Nordkaukasien gekommen sind (Tscherkessen) wurden die Häuser und das Eigentum der Armenier gegeben, die mittlerweile im ganzen Land als »Verräter« abgestempelt wurden. Die neuen Besitzer der illegal enteigneten armenischen Grundstücke und Eigentümer empfanden dies als richtig und notwendig für das was sie verloren hatten.

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„Was können wir tun?“

Doğu Ergil fährt mit Lösungsansätzen fort und fragt sich was getan werden kann. Er sagt, dass die Türkei  vorangehen und die Protokolle ratifizieren kann, welche von der türkischen und armenischen Regierung unterzeichnet wurden. Die Armenier müssten dem Beispiel folgen. Tatsächlich war die Unterzeichnung der Protokolle ein gemeinsamer widerwilliger Schritt, bei dem beide Seiten glaubten, dass der jeweils andere in letzter Minute aussteigen und dadurch sein „wahres Gesicht“ zeigen würde. Als nächstes könnte die türkische Regierung eine Entschuldigung für die bedauernswerten Ereignisse der Vergangenheit anbieten für die es nicht verantwortlich war aber für die es die menschliche Initiative übernehmen und die Armenier entschädigen wird. Nachfahren deportierter oder ermordeter Armenier, welche einen Anspruch auf enteignetes Eigentum und Wertgegenstände erheben wollen, könnten dies zusammen mit ihren Beweisen bei einer dafür neu gegründeten Dienststelle beantragen. Türkische Gerichte könnten verpflichtet werden, nach transparenten, offen erklärten Prinzipien und Verfahren zu funktionieren. Eine Summe könnte bei der Bank für geldliche Abfindungen hinterlegt werden. Zudem, so Ergil, sollte die Staatsbürgerschaft denjenigen Nachfahren angeboten werden, die sich wünschen türkische Staatsbürger zu sein. Somit kann die Brücke die Anfang des 20. Jahrhunderts niedergerissen wurde, in der kommenden Era wieder aufgebaut werden, der Zombie in seine Ruhestätte gesteckt und das Jagen beider Völker welche gleichsam Opfer von Nationalismus waren, beendet werden.

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