Der mehrfach preisgekrönte 90-minütige Dokumentarfilm „AGHET“ (armenisch: “die Katastrophe”), erzählt von einem der dunkelsten Kapitel des Ersten Weltkriegs: dem Genozid an den Armeniern.
Zwischen 1915 und 1918 wurden bis zu 1,5 Millionen Menschen im Osmanischen Reich (heute Türkei) ermordet. Dieser Völkermord wurde von Raphael Lemkin, dem Schöpfer der 1948 von der UN verabschiedeten Anti-Genozid-Konvention, als der erste systematisch ausgeführte Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Er wird allerdings bis heute von den Verantwortlichen und ihren Nachkommen geleugnet und von der Welt weitgehend verdrängt. Wie konfliktgeladen das Thema des armenischen Völkermords noch immer in der Türkei ist – und für diejenigen, die es kritisch in die Öffentlichkeit tragen, oft sogar lebensgefährlich – zeigen die Ermordung des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink am 19. Januar 2007 und die Anklagen gegen den Nobelpreisträger Orhan Pamuk.
Seit Jahren beschäftigt sich Autor und Regisseur Eric Friedler (“Das Schweigen der Quandts”, 2007) mit den politischen Motiven, die noch heute stark genug sind, um die historische Tatsache des Armenier-Genozids zu verschweigen und zu unterdrücken. Er sprach mit internationalen Regierungschefs und der intellektuellen Elite der Türkei, befragte Historiker, Zeitzeugen und Wissenschaftler in der Türkei, Deutschland, USA, Frankreich, Syrien und Armenien, aber auch Vertreter der weltweiten armenischen Diaspora wie den Boxer Arthur Abraham, den französischen Minister Patrick Devedjan oder den ehemaligen armenischen Außenminister Rafi Hovannisian.
Friedler forschte mit seinem Team in vielen internationalen Archiven (u. a. dem politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, dem Johannes-Lepsius-Archiv, den National Archives, USA) und rekonstruierte den Verlauf des Völkermords aus zahlreichen historischen Quellen. Diese Dokumente sind detaillierte Lageberichte deutscher und US-amerikanischer Diplomaten, aber auch Schilderungen schweizer, dänischer und schwedischer Ärzte, Sozialhelfer, Lehrer, Missionare, Korrespondenten und Krankenschwestern, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts in der Türkei lebten und ihre Beobachtungen festhielten. In einer minimalistischen Inszenierung verleiht ein hochkarätiges Schauspielerensemble (darunter Hanns Zischler, Martin Gedeck, Burghart Klaußner, Friedrich von Thun) diesen vor langem verstorbenen Zeitzeugen wieder eine Stimme. Fast 100 Jahre nach dem Völkermord sind ihre Aussagen von beklemmender Authentizität noch einmal zu hören, werden bis heute unbesungene Heldinnen und Helden entdeckt, tragische Schicksale und die strikte Systematik eines unfassbaren Verbrechens offenbart.
Trotz genereller Einmütigkeit der internationalen Geschichtswissenschaft weigert sich die politische Führung der Türkei weiterhin konstant, den Massenmord an den Armeniern als Genozid anzuerkennen, fordert Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan immer noch Beweise. Dabei wollen sich auch in der Türkei mehr und mehr Menschen ein eigenes Bild von der jüngeren Geschichte ihrer Nation machen. 200.000 Türken gingen nach der Ermordung von Hrant Dink in einer der größten Demonstrationen des Landes auf die Straße. In Solidarität mit Hrant Dink, den Armeniern und dem Verlangen nach Wahrheit.
Der Dokumentarfilm „Aghet – Ein Völkermord“ wurde unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und der Gold World Medal in der Kategorie „Beste Dokumentation“ sowie dem Grimme-Preis ausgezeichnet.