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Ehemaliger Präsident der Türkei wollte Streit um Völkermord an den Armeniern lösen

Turgut Özal, achte Staatspräsident der Türkei (r), mit dem Vorsitzenden der »Board of Ihlas Holding« (l), am 9. November, 1989

19 Jahre nach dem Tod des früheren Ministerpräsidenten der Türkei, Turgut Özal, werfen nun seine engen Freunde und Helfer Licht auf Özals Annäherungen zur Thematik des Völkermords an den Armeniern. Özal war für seine Reformpolitk bekannt, die den Weg für eine demokratischere und liberalere Türkei ebnete.

In einem Artikel von Mesut Çevikalp in der türkischen Tageszeitung »Today’s Zaman« heißt es, dass die Freunde und Helfer von Özal berichten, der ehemalige Präsident der Türkei wäre bereit gewesen mit den Armeniern eine Übereinkunft einzugehen, um das Jahrzehnte alte Problem zu lösen, bevor diese Dinge noch komplizierter für die Türkei in der internationalen Politik werden würden.
Özal wurde im Jahre 1983 Ministerpräsident, nachdem ein Militärregime die Macht an Zivilisten übergab. Er kämpfte hart, um die Türkei in Bezug auf Religionsfreiheit, Gedanken- und Meinungsfreiheit zu befreien. Darüber hinaus war er herzlich und empfänglich für Forderungen der Minderheiten, Kurden und anderer Gruppen, um mehr Rechte in einer globalisierenden Welt zu bekommen.
Die Türkei machte einen Wandel zur liberalen Wirtschaft während seiner Amtszeit und öffnete sich den Weltmärkten. Özals Wirtschaftspolitik und seine Ansichten in Bezug auf Minderheiten waren bei der Öffentlichkeit wohl bekannt. Jedoch ist nur wenig bekannt, wie er sich der Armenier-Thematik annäherte. Seine engen Freunde und Berater wiesen darauf hin, dass wenn Özal heute noch leben würde, die Thematik des Völkermords an den Armeniern wohlmöglich bereits gelöst wäre.

Völkermord an den Armeniern auf der Agenda

Der ehemalige türkische Ministerpräsident Özal wurde zum ersten Mal mit dem Völkermord an den Armeniern konfrontiert, als er in den 1950er Jahren in den USA war, um Volkswirtschaftslehre an der »Texas Tech University« zu studieren. Er bemerkte die Existenz einer aufkommenden und allmählich wachsenden armenischen Lobby, deren primäres Ziel es war die Thematik des Völkermords an den Armeniern in die politische Agenda der USA zu bringen. Er ergriff die Gelegenheit mit einigen Leuten aus der armenischen Diaspora zu sprechen, um ihre Ansichten und Absichten zu lernen. Aus seinen Gesprächen mit Armeniern schloss Özal, dass einige von ihnen dazu neigten in die Türkei zurückzukehren.
Als er im Jahr 1983 Ministerpräsident wurde, war der Völkermord an den Armeniern eines der Themen auf seiner Agenda. Allerdings stand er vor großen Herausforderungen, wie etwa der vor allem in den 1980er Jahren aktiven, heute jedoch als aufgelöst geltenden, armenischen Untergrundorganisation »Geheimarmee zur Befreiung Armeniens (ASALA)«, die es sich unter anderem zum Ziel gemacht hatte Reparationszahlungen, als Wiedergutmachung des durch den Genozid erlittenen Leids zu erlangen, da dies bis dato nicht geschehen ist und die Verantwortlichen für den Völkermord für ihre Taten letztendlich nie zur Rechenschaft gezogen wurden. Der ASALA-Faktor machte es für Özal schwierig, mutige Schritte in der Innenpolitik, in Hinblick auf die Überbrückung der Kluft zwischen Türken und Armeniern, zu nehmen.
Hinter verschlossenen Türen verteidigte Özal die Idee Verhandlungen mit Armeniern auszutragen, um eine Streitigkeit zu begleichen die großes Potenzial hatte einen schweren Schlag türkischer Interessen in der internationalen Politik zu verursachen.
Die engen Freunde und Helfer des ehemaligen Präsidenten sprachen mit der türkischen Tageszeitung »Today’s Zaman« über Turgut Özals Ansätze und Vorschläge, die Jahrzehnte alte »Armenier-Frage« zu lösen.
Vehbi Dinçerler, 71, ehemaliger Bildungsminister und Staatsminister in Özals Kabinett sagte, Özal wollte erfahren, was Armenier durch die Amerikaner von der Türkei erlangen wollten. Im Jahr 1984 beauftragte Özal seine Berater mögliche Szenarien des wirtschaftlichen und politischen Preises zu erarbeiten, den die Türkei zahlen müsste wenn sie Kompromisse mit der armenischen Diaspora eingehen und den Völkermord akzeptieren würde. Es wurde ebenfalls ein anderes Szenario vorbereitet. Dieser Plan versuchte die politischen Kosten einer türkischen Akzeptanz des Genozids innerhalb von 20 bis 30 Jahren zu beurteilen, wenn die Türkei gezwungen wäre eines Tages zu akzeptieren. Sein Ziel war es, das Problem durch einige Zugeständnisse und einem Deal mit den Armeniern zu lösen, bevor es zu spät sei, so Dinçerler.

Özal stößt auf Widerstand

Allerdings führte der starke Widerstand von einigen Politikern aus seiner Partei und des Militärs dazu, dass Özal seine Absicht, die Einzelheiten des Plans mit der Öffentlichkeit zu teilen, hinaufschob und sich dazu entschied, einen besser geeigneten Zeitpunkt abzuwarten.
Bei einem Besuch in den USA im Jahr 1991 sagte Özal unerwartet in einer Hotel-Lobby vor einer Gruppe von Diplomaten und Journalisten nach einem Treffen mit Vertretern der armenischen Gemeinschaft:

Was passiert, wenn wir mit den Armeniern kompromittieren und dieses Problem beenden?

Das Publikum war damals schockiert, ebenso wie die türkische Öffentlichkeit.
Die Idee von Verhandlungen mit der armenischen Diaspora selbst war inakzeptabel und undenkbar zu dieser Zeit. Als seine Aussage in der Türkei veröffentlicht wurde, löste sie Kritik und Wut in der Bevölkerung aus. Auch Abgeordnete der Mutterlandspartei (Anavatan, ANAP), die Özal gegründet und bis zu seiner Wahl 1989 zum Staatspräsidenten geführt hatte, reagierte harsch.
Allerdings war Özal sehr entschlossen und bereit an die Grenzen zu gehen, um die Thematik des Völkermords an den Armeniern zu lösen, um zu vermeiden, härteren Herausforderungen hinsichtlich der Möglichkeit, dass der Völkermord an den Armeniern durch die Parlamente der Bundesstaaten in den USA anerkannt werden würde, gegenüberzustehen.

Land sollte Armeniern zurückgegeben werden

Özal versuchte bedeutende Projekte zu realisieren, einschließlich des Van-Projekts. Süleyman Roman, der an mehreren Projekten mit Özal in den 1980er Jahren arbeitete sagte, der ehemalige Ministerpräsident hatte geplant, einige Ländereien an Armenier in Van wieder zurückzugeben. Roman fügte hinzu, dass Özal allerdings keine konkreten Fortschritte im Projekt erzielen konnte, da er auf starken Widerstand stoß.
Turgut Özal hatte den Mut, sich der Vergangenheit zu stellen. Vehbi Dinçerler weißt in dem Gespräch mit der »Today’s Zaman« darauf hin, dass Özal mehrere Projekte entwickelt hatte, jedoch keines von ihnen auf Grund der Mentalität der türkischen Staatsbeamten zu der Zeit Früchte tragen konnte. Özal sagte:

Lasst uns die Initiative ergreifen und die Wahrheit finden. Wenn nötig, lasst uns den politischen und wirtschaftlichen Preis bezahlen.

Doch das türkische Militär leistete starken Widerstand gegen solch einen Ansatz, fügte er hinzu.
Hasan Celal Güzel, der in der Regierung von Özal gedient hat berichtet, dass das militärische Establishment der Türkei Özals moderaten Ansatz und Politik bezüglich der Armenier und Kurden wie Konzessionen wahrgenommen hat. Nach dem Tod von Turgut Özal, wurde seine Politik der Lösung der Thematik des Völkermords an den Armeniern eingestellt. Güzel sagt weiter aus:

Sie [das Militär] sah Özal als jemand, der zu viele Zugeständnisse macht. Sie waren gegen seine Politik. Doch Özal entwickelte die Idee, dass die Türkei schlichten und Frieden mit den Armeniern, die während der osmanischen Zeit den Titel ‘Hirse-i Sadika’ [loyale Nation] besaßen, schließen könnte. Er wollte die Tür für eine Rückkehr der Armenier in die Türkei öffnen. Seit dem hat niemand mehr einen Schritt gemacht. Wäre er nicht gestorben, so hätte er dieses Problem wohlmöglich gelöst.

Turgut Özal starb am 17. April 1993. Als Todesursache war offiziell ein Herzversagen angegeben worden. Eine 2012 angeordnete Obduktion seiner Leiche bestätigte jedoch die seit seinem Tod vorherrschende Vermutung, dass Özal vergiftet worden war.

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