Richter Giovanni Bonello tadelte die Behauptung des türkischen EU-Ministers Egemen Bagis, die Türkei sei von der Verantwortung am Völkermord an den Armeniern 1915 freigesprochen, weil ein Verfahren diesbezüglich in Malta niemals stattgefunden habe, berichtet »The Malta Independent«.
Mit seiner Aussage, dass über 100 Türken 1919 von den Briten nach Malta gebracht worden sind um für ihre Kriegsverbrechen, darunter dem Völkermord an den Armeniern, angeklagt zu werden, lege der türkische EU-Minister aber richtig. Jedoch führte unter anderem das Fehlen einer angemessenen Gesetzeslage mit supranationaler Gerichtsbarkeit dazu, dass die türkischen Häftlinge im Austausch für 22 von Mustafa Kemal Atatürk festgehaltene britische Gefangene freigelassen wurden, so Richter Bonello.
Dieses wichtige, aber scheinbar in vergessen geratene Kapitel der modernen Kolonialgeschichte wurde von Richter Giovanni Bonello in einem seiner Bände zur Geschichte Maltas, veröffentlicht von »Fondazzjoni Patrimonju Malti«, behandelt.
Bemerkungen sind „Unsinn“
Nach dem in der »The Malta Independent« kürzlich ein Artikel erschienen war, in dem die Äußerungen des türkischen EU-Ministers bezüglich des Völkermords an den Armeniern, welche er als »Vorfall« bezeichnete, zitiert wurden, wies Richter Dr. Bonello die Zeitung »The Malta Independent« darauf hin, klarzustellen, dass diese Bemerkungen einfach »Unsinn« sind. Er verwies dabei auf die neunte Ausgabe der Serie zur Geschichte Maltas, welche mit einem besonderen Kapitel mit dem Namen »Die Malta Prozesse und die türkisch-armenische Frage« diesem Thema gewidmet ist.
Dr. Bonello erklärt, dass nach dem Ersten Weltkrieg noch keine internationalen Normen zur Regelung von Kriegsverbrechen existierten. Er gibt weiter an, dass nur durch eine Reihe technischer Zufälle der Erste Weltkrieg nicht in den »Malta Prozessen« geendet hat, so wie der Zweite Weltkrieg in den »Nürnberger Prozessen« endete. Er definiert den rechtsfreien Raum welcher sich 1919 vorfinden ließ als »einen Alptraum, ein terra incognita, dass die juristischen Köpfe herausforderte eine Lösung für ein bis dato unvertrautes Phänomen, in der Geschichte der Kriegsführung und seinen Folgen, zu finden«.