Israels Parlament (Knesset) hat am Dienstag in einer eigens dafür angelegten Plenarsitzung über die Anerkennung der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord debattiert.
Parlamentspräsident Reuven Rivlin sagte zur Eröffnung der Debatte, die Juden in Palästina seien sich damals der Massaker an den Armeniern bewusst gewesen. „Die Einwohner Jerusalems haben sie halb verhungert zu Tausenden eintreffen gesehen. Die Zeugenberichte über die Massaker damals waren klar und deutlich“, sagte Rivlin laut israelischen Medienberichten zu Folge.
„Wir waren die Nächsten“
Nach dem Mord an den Armeniern, der während des Ersten Weltkriegs weitgehend unbeachtet geblieben war, hätten die Nationalsozialisten den Eindruck gehabt, dass die Welt bei der „Endlösung“ der Juden ebenfalls schweigen würde, fügte Rivlin hinzu. Er betonte jedoch, dass eine Anerkennung der Massaker als Genozid nicht bedeute, die jetzige Republik Türkei oder die jetzige türkische Regierung dafür verantwortlich zu machen.
Rivlin sagte ebenfalls: „Als Juden und als Menschen, können wir dieses Thema nicht ignorieren und unsere moralische Pflicht nicht zurückweisen… Als ein Land, welches selbst mit Holocaust Leugnung zu kämpfen hat, können wir nicht die Tragödie anderer Völker ignorieren.“
Die linke Abgeordnete Zahava Gal-On, die die Debatte angestoßen hatte, äußerte die Hoffnung, dass Israels Regierung die Massaker „endlich“ anerkennen werde. „Die Notwendigkeit den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen und seine Leugnung abzulehnen resultiert in erster Stelle aus dem, was wir durch den Holocaust durchmachen mussten.“, berichtet Gal-On. Im Dezember hatte der Bildungsausschuss des Parlaments erstmals eine öffentliche Debatte zu den Massakern organisiert. Zuvor war über die Vorgänge nur hinter verschlossenen Türen gesprochen worden.
Gal-Ons Co-Sponsor, Arieh Eldad hat Anschuldigungen, dass das Hervorbringen dieses Themas zum jetzigen Zeitpunkt ungelegen sei, abgewiesen. „Vor einigen Jahren hieß er, wir können über dieses Thema auf Grund unserer guten Beziehungen zur Türkei nicht sprechen. Nun heißt es, wir können auf Grund unserer schlechten Beziehungen zur Türkei nicht darüber sprechen. Wenn man sich mit etwas moralischem oder ethischem nicht auseinandersetzen will, dann wird es immer diejenigen geben die sagen werden, es ist nicht der richtige Zeitpunkt.“, so Eldad.
Gilad Erdan, Israels Umweltminister und enger Verbündeter von Ministerpäsident Benjamin Netanyahu, äußerte, dass „eine formale Anerkennung des Holocaust gegen die armenische Bevölkerung, definitiv angebracht“ sei.
Ein endgültiges Ergebnis wurde bei der Plenarsitzung am Dienstag noch nicht festgehalten. Es werde geplant weitere Sitzungen zu diesem Thema abzuhalten.
Die Debatte könnte die ohnehin seit 2010 angespannten Beziehungen Israels zur Türkei weiter verschärfen. Armenien, unterstützt durch eine Vielzahl internationaler Historiker und Parlamente, sagt, dass bis zu 1,5 Millionen Armenier während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich ermordet wurden. Dieses Ereignis wird von Historikern weitgehend als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts angesehen. Obwohl bereits zahlreiche Länder weltweit den Völkermord anerkannt haben leugnet die türkische Regierung vehement, dass es sich bei den Ermordungen um einen Völkermord gehandelt hat und setzt die Opferzahlen weit niedriger an. Laut Ankara habe es sich damals um zivile Kriegsopfer gehandelt die auf beiden Seiten zu finden sind.
Neben Armeniern fielen ebenfalls die christliche Minderheit der Pontos-Griechen und bis zu 600.000 Aramäer/Assyrer dem Völkermord zum Opfer.