Streit um Völkermord-Gesetz: Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, fordert die Türkei auf, sich – wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg – der eigenen Geschichte zu stellen.
Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hat die Türkei aufgerufen, ihre Vergangenheit ebenso aufzuarbeiten wie Deutschland das nach dem Zweiten Weltkrieg getan habe. Die türkische Regierung solle „sich der eigenen Geschichte stellen und unabhängige Untersuchungen“ zu den Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich erlauben, sagte der deutsche Sozialdemokrat nach einem Treffen mit dem türkischen Europaminister Egemen Bagis am Dienstag in Brüssel.
»Und wenn unabhängige Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass es ein Völkermord war, sollte sie das anerkennen.«
Die Türkei liegt derzeit im Streit mit Frankreich wegen des umstrittenen Völkermord-Gesetzes. Das Gesetz stellt die Leugnung eines in Frankreich anerkannten Völkermordes unter Strafe. Dazu zählt das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917. Nach Angaben des Zentrums gegen Vertreibungen (Wiesbaden) und der Mehrheit der internationalen Geschichtswissenschaft kamen bei den Deportationen und systematischen Ermordungen 1915/1916 fast 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Türkei weist den Vorwurf des Völkermordes zurück und geht von einer Opferzahl von bis zu 500.000 Menschen aus. Der französische Verfassungsrat soll das Gesetz prüfen.
»Und die Dämonen unserer Vergangenheit leben bis heute fort und jeden Tag bin ich mit der Vergangenheit meines Landes konfrontiert. Aber mein Land, und darauf bin ich stolz, stellt sich seit 60 Jahren seiner Geschichte.«
»Als Deutscher, insbesondere als deutscher Präsident eines multinationalen Parlaments, muss ich jeden Tag mit unserer Vergangenheit leben, keiner einfachen, einer sehr schweren«, sagte Schulz in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust.
Schulz empfahl der Türkei, »so offen wie möglich gegenüber der Vergangenheit zu sein. Das ist der beste Weg in die Zukunft.«