Die anhaltenden geopolitischen Entwicklungen im Mittleren Osten könnten einen direkten Einfluss auf die dort lebende armenische Gemeinschaft haben und zu ihrer Auswanderung aus dieser Region führen.
Ruben Safrastyan, Direktor des »Institute of Eastern Studies« in der »National Academy of Sciences« sagt, dass durch die Revolutionen in diesem Jahr, die Vorherrschenden ihre Macht verlieren und durch extremistische Islamisten ersetzt werden. Daher, so glaubt Safrastyan, ist die Auswanderung der christlichen Bevölkerung unumgänglich.
Besonders die in Syrien lebenden Armenier, sagt Safrastyan, sind sehr gut in die Gesellschaft integriert und waren während der Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad immer sicher und in der Lage ein sorgloses Leben zu führen.
»Der Sturz der Assad Regierung würde die Armenier in Syrien in eine große Gefahr bringen, da die radikale Opposition von islamistischen Extremisten repräsentiert wird, die keine Christen und vor allem keine Armenier, befürworten.« sagt der Wissenschaftler.
Die Armenier wanderten nach den Massakern in Adana im Jahre 1909 von Westarmenien und Kilikien nach Syrien aus. Auch nach der systematischen Vernichtung, dem Genozid an den Armenier 1915, wanderten sie nach Syrien. Heute leben 70.000 – 75.000 Armenier in Syrien. Davon 50.000 – 55.000 in Aleppo.
Armenier mussten nie religiös-motivierte Diskriminierungen in Syrien erleiden. Jedoch könnte die fortlaufende Verschlimmerung der Situation und das Vorhaben al-Assad zu stürzen ernsthafte Konsequenzen für die armenische Gemeinschaft in Syrien mit sich bringen.
Safrastyan sagt, die Opposition in Syrien ist pro-islamisch. Sie hat sogar Al-Qaeda-Anhänger unter ihnen, die offen anti-christliche Ansichten teilen. Wenn die brisante Situation in Syrien chaotischer wird und sich in eine Anarchie umwandelt, sind sogar Pogrome wahrscheinlich.
»In solch einem Fall könnte eine Massengewalt gegen Christen anfangen, nicht nur gegen armenische Christen, sondern ebenso gegen arabische Christen die in einer großen Anzahl in Syrien leben«, sagt Safrastyan. Ein Machtwechsel in Syrien würde die Stellung der Türkei im Mittleren Osten stärken, was der Rolle Irans als offener Unterstützter Syriens widerspricht.
Safrastyan sagt, obwohl der Iran Syriens Verbündeter ist, werden die Streitkräfte die nun in Syrien gegen das vorherrschende Regime kämpfen, geführt von Truppen die entweder gegen den Iran oder Syrien sind. Bei einem offenen Konflikt würde der Irant direkte Interventionen in syrische Angelegenheiten unterlassen.
»Die Türkei benutzt die Unruhen in der arabischen Welt und nimmt, im Fall von Syrien, eine staatsfeindliche Position ein. Im Falle eines Zusammenbruchs der Assad Regierung, würde der Einfluss der Türkei stärker werden. Infolgedessen müssen wir bereit sein für eine Auswanderung der armenischen Bevölkerung aus Syrien« berichtet Safrastyan.
Ein Land, oder Länder, in welche syrische Armenier auswandern könnten müssen günstige Lebensbedingungen bieten, sagt der Experte, wohingegen Armenien keine Möglichkeit hat Immigranten zu empfangen. »Selbstverständlich bedeutet dies nicht, das wir uns zurücklehnen und nichts tun werden. Wir müssen nach Mitteln suchen um unseren Landsleuten zu helfen. Armenien sollte immer den Standpunkt wählen, der klar die Unterstützung für jede seiner Gemeinschaften demonstriert.« sagt Safrastyan. Er fügt hinzu, das etwa 10-12 Millionen Christen im Mittleren Osten leben. Als Folge der Vereinigung extrem islamistischer Organisationen und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen, sind bereits 2 Millionen Christen in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus dieser Region ausgewandert.
Die Welle der Revolutionen, die die arabische Welt Anfang dieses Jahres erreicht hat, ist in den Mittleren Osten eingezogen. Infolgedessen Ben Ali in Tunesien gestürzt wurde und Hosni Mubarak in Ägypten. Dies beweist, dass kein Regime mehr sicher ist.