Bei dem Türkei-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul unter anderem der Völkermord an den Armeniern thematisiert. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu bediente sich dabei der altbewährten Leugner-Strategie einer „Historikerkonferenz“.
So teilte Davutoğlu mit: „Wir haben auch über bestimmte Themen im Zusammenhang mit dem Jahr 1915 und einem Antrag, den es diesbezüglich im Deutschen Bundestag gibt, gesprochen. Ich habe gesagt, dass diese Themen eigentlich insbesondere auf akademischer Ebene geführt in einer Kommission besprochen werden sollten, in der unter anderem auch deutsche Historiker dabei sein sollten. Ich möchte hierzu auch grundlegend die türkische Haltung darstellen: Beide Länder waren im Ersten Weltkrieg auf der gleichen Seite, und hier sollten sie in einer Historiker-Kommission – auch mit anderen Historikern – zusammenkommen, um dieses Thema zu erörtern. Wir sind bereit, jegliche Unterstützung diesbezüglich zu leisten. Wir wollen natürlich auch, dass dabei auch historisch gesehen eine Versöhnung zwischen der Türkei und den Armeniern stattfindet, und da sind wir für jegliche Kooperation bereit.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel bedankte sich für das Angebot mit Historikern zusammenzuarbeiten:
„Insofern möchte ich mich heute für die Gespräche und auch für das Angebot, in der Frage der Türkei und Armeniens noch einmal mit den Historikern zusammenzuarbeiten, ganz herzlich bedanken. Ich glaube, wir können und werden unsere Arbeit intensiv fortsetzen“, so Merkel.
Internationale Historikerkonferenz fand bereits in Berlin statt
Entgegen der langjährigen türkischen Leugner-Strategie, man solle zunächst einmal eine Historikerkonferenz ins Lebens rufen und die Ereignisse untersuchen lassen, fanden solche Konferenzen bereits mehrfach statt. So etwa die „Internationale Historikerkonferenz“ in Berlin im März diesen Jahres unter Teilnahme von 160 Historikern. Sie sprachen unter anderem auch über Deutschlands Rolle beim Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren. Ihre Erkenntnisse zeigten: Deutschlands Mitverantwortung war größer als bislang angenommen.
Türkei sagte Historikerkommission selbst ab
Der Vorschlag der Bildung einer unabhängigen Historikerkommission, zur Beurteilung der Ereignisse von 1915, so als seien diese noch nicht hinreichend genug erforscht worden, ist bereits seit vielen Jahren fester Bestandteil der Leugnungsstrategie der Türkei.
Im Jahre 2005 schlug Recep Tayyip Erdogan erstmals öffentlich die Errichtung einer bilateralen Historikerkommission vor. Diese Konferenz, die vom 25. bis 27. Mai 2005 in Istanbul stattfinden sollte, wurde jedoch durch den türkischen Justizminister Cemil Cicek selbst unterbunden und die von der türkischen Regierungsmeinung abweichenden Positionen türkischer Wissenschaftler als „Dolchstoß in den Rücken der türkischen Nation“ diffamiert.
Armenien ist bereit
Aus dem Wikileaks-Dokument 05YEREVAN769, datiert auf den 28. April 2005, geht hervor, dass die Beschuldigung der Türkei, Armenien sei nicht bereit sich einer Kommission zu stellen, unwahr ist.
Am 25. April 2005 schrieb der ehemalige Präsident Armeniens, Robert Kocharian, in einem Brief an Erdogan:
Es liegt in der Verantwortung von Regierungen bilaterale Beziehungen herzustellen und wir haben nicht das Recht, diese Verantwortung allein Historikern aufzuerlegen. Deshalb haben wir vorgeschlagen, und werden dies auch weiterhin tun, dass wir, ohne Vorbedingungen, normale Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern herstellen sollten.
In diesem Zusammenhang kann eine intergouvernementale Kommission errichtet werden, um alle noch offenen Fragen zwischen unseren beiden Nationen zu besprechen, mit dem Ziel, diese zu lösen und zu einer Verständigung zu gelangen.
Türkisch-Armenische Kommission bereits 2001 errichtet
Bereits am 9. Juli 2001 wurde zudem die „Turkish Armenian Reconciliation Commission, TARC“ (Übersetzt: Türkisch-armenische Versöhnungskommission) gegründet. Diese beauftragte das „International Center for Transitional Justice, ICTJ“ mit der Untersuchung der Anwendbarkeit der 1948 beschlossenen Genozidkonvention auf die Ereignisse von 1915. Am 4. Februar 2003 kam das ICTJ nach ausgiebigen Analysen zu folgendem Urteil:
Den Verantwortlichen dieser Ereignisse war die Konsequenz bewusst, dass ihr Handeln die vollständige oder partielle Vernichtung der Armenier von Ostanatolien bedeuten würde (…) und setzt daher eine genozidale Absicht voraus. (…) Es kann festgehalten werden, dass diese Ereignisse, als Ganzes betrachtet, alle Straftatbestände der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ erfüllen.
Nach Veröffentlichung dieses Ergebnisses löste sich die TARC auf, da den ehemaligen türkischen Botschaftern sowie Diplomaten, die mit Einwilligung Ankaras dem Gremium beigetreten waren, diese Situation „zu heiß“ wurde.