Im Roman „Hier sind Löwen“ erzählt die armenischstämmige Schriftstellerin Katerina Poladjan von der Flucht zweier Kinder vor türkischen Massakern und von einer Historikerin, die verleugnete Massengräber findet. Poladjans Roman, der die eigene Familiengeschichte mit der Geschichte der Armenier verbindet, war für
den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert.
Katerina Poladjan wurde in der Sowjetunion geboren. Ihr Großvater war Überlebender des Völkermords an den Armeniern. Ende der 1970er Jahre kam sie nach Deutschland. Für die Autorin war die tragische Vergangenheit des eigenen Großvaters – trotz ihres armenischen Familiennamens – eine lange Zeit kein Thema. „Er hat das ganze Leben lang geschwiegen, wie so viele Überlebende“, sagte Poladjan. Ihr Großvater ist während des Genozids an den Armeniern als Sechsjähriger von seiner großen Schwester gerettet worden, wie Poladjan berichtet.
In „Hier sind Löwen“ kommt ihre Romanfigur Helen als Buchrestauratorin in die armenische Hauptstadt Jerewan. Im Gepäck hat Helen ein altes Foto, mit dem sie für die Mutter nach Verwandten von früher suchen soll. Im Jahre 1915 ist die alte Bibel einer armenischen Familie an der Schwarzmeerküste ist das Einzige, was den Geschwistern Anahid und Hrant auf ihrer Flucht bleibt. Hundert Jahre später in Jerewan wird der Restauratorin Helen eine Bibel anvertraut. »Hrant will nicht aufwachen«, hat jemand an den Rand einer Seite gekritzelt. Helen taucht ein in die Rätsel des alten Buches, in das moderne Armenien und in eine Geschichte vom Exil, vom Verlorengehen und vom Schmerz, der Generationen später noch nachhallt. Und sie bricht auf zu einer Reise an die Schwarzmeerküste und zur anderen Seite des Ararat. Durch diese rätselhafte Randnotiz über ein vor Deportationen geflohenes Geschwisterpaar gerät die Romanfigur Helen selbst in den Strudel der Geschichte.
„Hier sind Löwen“ ist wohl Poladjans bisher ehrgeizigstes und zugleich persönlichstes Werk.