Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) fällte heute – mit zehn zu sieben Stimmen – ihr Urteil im Fall Doğu Perinçek gegen die Schweiz gegen die Schweiz, wegen Leugnung des Völkermords an den Armeniern: Die Schweiz hat mit der Verurteilung des türkischen Ultranationalisten Dogu Perinçek wegen Rassendiskriminierung die Meinungsäusserungsfreiheit verletzt.
In ihrem Urteil hielt der EGMR jedoch weiter fest, dass das Gericht anders als internationale Kriegsgerichte keine Befugnis habe, eine rechtlich bindende Erklärung abzugeben, ob es sich bei der Ermordung der Armenier 1915 um einen Völkermord handele oder nicht. So heißt es in der heutigen Presseerklärung des EGMR:
In Bezug auf den Umfang des Falls, betonte das Gericht, dass es nicht erforderlich sei festzustellen, ob die Massaker und Massendeportationen, die die Armenier im Osmanischen Reich ab 1915 erlitten haben, als Völkermord im Sinne des Völkerrechts charakterisiert werden können. Im Gegensatz zu den internationalen Strafgerichten, besitzt der EGMR nicht die Befugnis, um rechtsverbindliche Erklärungen in diesem Punkt zu tätigen.
Der türkische Politiker und Völkermord-Leugner Perinçek hatte 2005 an insgesamt drei öffentlichen Veranstaltungen in der Schweiz den Völkermord an den Armeniern geleugnet, woraufhin er wegen Rassendiskriminierung angezeigt und 2007 zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wurde. Perinçek zog das Urteil weiter, doch sowohl das Kantonsgericht Waadt als auch das Bundesgericht wiesen seinen Einspruch ab. Die Lausanner Richter vertraten die Ansicht, in der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit bestehe ein breiter Konsens, dass es sich bei den Ereignissen von 1915 um einen Völkermord gehandelt habe. Das ottomanische Reich hatte damals die Deportation und Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern angeordnet und durchgeführt.