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Dinks Fall ist in Wirklichkeit eine Konfrontation mit den Ereignissen 1915

ergun babahan hrant dink Die zehntausenden Menschen, die jedes Jahr in Istanbuls Landkreis Şişli, dem regnerischen und kalten Wetter trotzend, zusammen kommen, deuten ganz klar darauf hin, dass die Ermordung von Hrant Dink ein gesellschaftliches Trauma ausgelöst hat.

von Ergun Babahan (Kolumnist der Sunday’s Zaman)
Das Gewissen ist angeschlagen, denn sogar diejenigen, die den Fall Dink nur über die Zeitungen verfolgt haben, erkennen, dass der türkische Staat seine Finger bei der Ermordung im Spiel hatte und sich alle Mühe gemacht hat seine Verstrickungen in den Tod von Hrant Dink zu vertuschen. Die Demonstranten realisieren, dass dieser Fall in kleinem Maßstab eine Wiederholung der Ereignisse von 1915 darstellt. Ähnlich, entschied 1915 eine Gruppe von Menschen die das Osmanische Reich retten wollte, die Armenier, alle Frauen und Kinder eingeschlossen, zu deportieren. Die Entscheidung, hunderttausende von Menschen zu deportieren, ist auf Grund der langen Reise gleichbedeutend mit der Ermordung all dieser Menschen.
Als die Wahrheit über die Deportationen enthüllt wurde, gab es einen großen Aufschrei im Westen, doch das Ende des Ersten Weltkriegs war eher das Hauptanliegen. Mitglieder des »Komitee für Einheit und Fortschritt«, die einen Sturz in der Regierung des Osmanischen Reiches sahen, zerstörten sorgfältig die Dokumente bezüglich der Deportation der Armenier. Sie stellten ein Schlüsselelement des neu gegründeten Regimes innerhalb der Republik Struktur dar. Einerseits, verleugnete die Türkei die Überbleibsel des Osmanischen Reiches, lehnte diese ab und versuchte die Sprache und Traditionen des Osmanischen Reiches zu entfernen. Anderseits versuchte sie die Massaker an den Armeniern bei den Menschen ins Vergessen geraten zu lassen.
Ermordungen, die von der ASALA, einer armenischen terroristischen Untergrundorganisation mit dem Ziel die Verantwortlichen für den Völkermord zu liquidieren, durchgeführt wurden, waren notwendig, um sich erneut der vergessenen Armenier-Thematik zu zuwenden. Doch die Hauptkonfrontation mit diesem Thema begann in den letzten 5 Jahren. Die Tatsache, dass das bewachende Militär an Macht verlor, der daraus resultierende Einfluss der Akademiker und die Medienwelt ebneten den Weg für dieses Thema um studiert, untersucht und diskutiert werden zu können.
Hrant wurde ermordet, weil er auf die Massaker hinwies. Bis zu seinem Tod wurden Beiträge ausgestrahlt die dazu führten, dass Hrant Dink als „Feind der Türken“ von der türkischen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zudem bekam er eine Gefängnisstrafe. Nun werden die Hinweise einer schrecklichen Kooperation eins nach dem anderen aufgedeckt.
Die Menschen auf der Strasse erkannten die Entwicklung der Kooperation die mit Veli Küçük und Kemal Kerinçsiz begann und bis hin zu Kolumnisten von großen Zeitungen erweitert wurde. Die Menschen können diese Zusammenhänge nun besser sehen. Dinks Ermordung indiziert die Existenz eines kriminellen türkischen Staates, der nicht davor abschreckt seine eigenen Bürger auf Grund ihrer Abstammung oder Religion zu ermorden und sieht die Menschen als Schachfiguren, die manipuliert werden können um die eigenen Ziel zu erreichen.
Innerhalb des heutigen türkischen Staates, gibt es immer noch Überbleibsel des Gedankenguts der in der Vergangenheit zum Sturz des osmanischen Sultans und zu der Ermordung der eigenen Bevölkerung die sich gegen die damaligen Auferlegungen wehrte, führte. Dieses Gedankengut existiert immer noch inmitten der Polizei, der Gendarmerie, des Gerichtswesens, der Medien und innerhalb der Universitäten.
Diese Denkweise zu eliminieren wird nicht einfach. Doch die Szenen die man am Donnerstag in den Straßen von Şişli sehen konnte, deuten darauf hin, dass tausende von Menschen für eine Konfrontation und Eliminierung solch eines Gedankenguts sind. Diese Menschen, die weinten als sie die Lieblingsballaden von Hrant Dink hörten und die Verantwortlichen für die Ermordung der intellektuellen Armenier 1915 zur Rechenschaft gezogen haben wollen, stellten die Stimme der Menschlichkeit in Şişli dar. Dies war eine Gruppe von Menschen die gelernt hat, dass Korruption und Verbrechen in der Vergangenheit stattgefunden hat. Dies war eine Gruppe von Menschen, die von der Korruption dieser Struktur, die sich Staat nennt, erfahren hat.
Wir sind von der Ermordung Hrant Dinks mehr geplagt als von Ermordungen anderer Intellektueller. Wir wissen, dass die Mörder von Uğur Mumcu und Çetin Emeç nicht gefunden werden können. Doch die Tatsache, dass versucht wurde die Ermordung von Hrant Dink zu vertuschen, verletzt unsere Gefühle. Es geht darum, dass wir tief im Inneren wissen, dass es sich hierbei nicht nur um die Ermordung einer Person handelt, sondern um die letzte Serie von Ermordungen die seit 100 Jahren andauert. Deshalb wird dieser Fall an diesem Punkt noch nicht geschlossen.

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